Den Stadtteil mit anderen Augen sehen
Ausstellung „1250 Jahre Bergheim“ ermöglicht eine Reise in die Vergangenheit – IQ-Galerie eröffnet
Von Laura Kress
Bergheim. In Badekleidung sonnen sich Menschen auf einem Steg am Neckar, stürzen sich von dort in die kühlen Fluten. Das zeigt eine Schwarz-Weiß-Fotografie von 1935 – einer Zeit, in der der Neckar nur 80 bis 90 Zentimeter tief war, bevor der Fluss für die Schifffahrt vertieft wurde. „Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, aber man konnte bis auf den Boden tauchen“, erzählt Jo-Hannes Bauer, der die Ausstellung „1250 Jahre Bergheim“ zusammen mit dem Stadtteilverein und den Neckarorten im Rahmen des Formats „Kultur:Kiosk“ organisiert hat. Seit der Eröffnung am Mittwoch können Interessierte in der IQ-Galerie am Iqbal-Ufer in die Geschichte des Stadtteils eintauchen.
„Die Ausstellung deckt alles ab. Von der Steinzeit bis zur Gegenwart“, erläutert Bauer stolz. Tatsächlich ist Bergheim älter als Heidelberg selbst. 1392 löste der damalige Landesfürst den Stadtteil allerdings auf und zwang die dort lebenden Bauern, umzuziehen. „Er wollte die Altstadt besiedeln“, erklärt Bauer. „Die war dann auch leichter zu verteidigen.“
Eine Aufnahme zeigt den Bahnhof, der 1840 in Bergheim gebaut wurde und mit ihm viele Fabriken. „Damit wurde Bergheim zum Industrieviertel“, erzählt Bauer und deutet auf ein weiteres Foto, auf der die Bergheimer Mühle zu sehen ist, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Zementfabrik und damit zur „Dreckschleuder“ wurde. Vor allem den sich in den 1860er-Jahren ebenfalls in Bergheim ansiedelnden Kliniken war die Fabrik ein Dorn im Auge. Nach einem heftigen Brand 1893 in der Zementfabrik zog die Stadt schließlich die Konsequenzen und die Fabrik musste weichen.
Ungefähr fünf Jahre hat es gedauert, bis Bauer das alles zur Stadtteilgeschichte recherchiert hatte. Eigentlich ist er Filmvorführer und begann im Zuge dessen zur Heidelberger Kinogeschichte zu recherchieren. Als dann 2019 das 1250-jährige Jubiläum von Bergheim anstand, dachte Bauer: „Jetzt nehme ich mir mal Bergheim vor.“ Für die Vorzeit und das Römische Reich war vor allem Renate Ludwig vom Kurpfälzischen Museum eine große Unterstützung. Ansonsten ging Bauer ins Stadtarchiv und arbeitete sich dort durch alte Schriften und Stadtpläne. „Es hat lange gedauert, bis ich so manche Schrift entziffern konnte“, lacht Bauer – ein Aufwand, der sich für ihn gelohnt hat. „Mir macht es Spaß, Geschichte zu rekonstruieren.“
Bei seiner Recherche machte Bauer selbst auch einige unerwartete Entdeckungen, zum Beispiel, dass die Bergheimer Mühle in dem englischen Roman „The Grey Woman“ eine Rolle spielt. „Das wusste davor niemand“, meint Bauer begeistert. Beeindruckt hat ihn außerdem der Neckarhof, ein Flüchtlingslager, das sich am Standort des heutigen Thermalbads nach dem Ersten Weltkrieg gebildet hat. „Hier haben sogenannte Displaced Persons gelebt. Also Obdachlose, Vertriebe und Soldaten“, erzählt Bauer. „Das ist danach irgendwie aus der Geschichte verschwunden.“
Interessiert schlendern die Besucher durch die IQ-Galerie und lauschen Bauers Erklärungen. „Er kann sehr gut erzählen“, findet Christa Märkle, seit fast 25 Jahren Bergheimerin. „Man sieht den Stadtteil jetzt mit anderen Augen.“ Auch der 25-jährige Christoph Maier, der 2018 hierher gezogen ist, zeigt sich begeistert: „Heidelberg ist so eine schöne Stadt. Es ist spannend zu sehen, wie es früher einmal aussah.“
Info: Die Ausstellung ist mittwochs von 17 bis 20 Uhr und am Wochenende von 14 bis 20 Uhr geöffnet.
Ausstellung am Iqbalufer
RNZ. Bergheim birgt viele Geheimnisse, auf deren Spuren sich Interessierte im Rahmen der Ausstellung „1250 Jahre Bergheim“ begeben können. Sie ist ab Mittwoch, 18. Juni, am Neckarort Iqbalufer in Bergheim zu sehen. Die Eröffnungsfeierlichkeiten finden zwischen 17 und 20 Uhr statt. Der Stadtteilverein Bergheim und der Verein „Neckarorte“ laden ein.
Die Ausstellung behandelt die wechselhafte Geschichte der Mitte des modernen Heidelberg. Nicht zuletzt die Auflösung des Dorfes im Jahr 1392 hat das mittelalterliche Bergheim in Vergessenheit geraten lassen. Auch die Entwicklung Bergheims zum Industrie- und Klinikviertel Heidelbergs, beginnend mit der Eröffnung des Bahnhofs 1840, hat Spuren hinterlassen, die aber durch Umnutzung und Überbauung zum überwiegenden Teil schon gelöscht wurden. Die Ausstellung zum 1250-jährigen Bestehen Bergheims wurde 2019 konzipiert. Informationen zu den Öffnungszeiten online unter: https://tinyurl.com/3tu662ce.